Das ehemalige Leprahospital der Stadt Lüneburg, der sog. St. Nikolaihof, liegt 6 km außerhalb der einstigen Stadtmauer, am Rande der Ortschaft Bardowick. Die Gründungsurkunde des Hospitals hat sich nicht erhalten, und damit bleibt sein genaues Entstehungsjahr unbekannt. Die erstmalige schriftliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1251, als der Bischof von Verden den „armen Sichen“ den Besitz des Zehnten bestätigte.

Die Bausubstanz des Hospitals reicht bis ins 14. Jh. zurück, aus dem die in der jetzigen Kapelle verbauten Reste des Vorgängerbaus und das heute noch erhaltene im Jahr 1316 errichtete alte Männerhaus stammen. Zu der Anlage gehören noch acht weitere Gebäude, die in der Zeit vom 16. bis ins 18. Jh. errichtet wurden.

Die mittelalterlichen Leproserien waren Isolationshospitäler, da man über die Absonderung der Leprosen die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern suchte. Aus diesem Grund wurden diese stets außerhalb der Stadtmauern errichtet. Die Lage an gut frequentierten Straßen und nach Möglichkeit auch in der Nähe schiffbarer Flüsse ermöglichte zusätzliche Finanzierung der Einrichtung durch Almosen. Für den Nikolaihof sind dies die einstige Handelsstraße, die von Lübeck über Hamburg, Lüneburg, Braunschweig, Göttingen bis nach Frankfurt führte, sowie der Fluss Ilmenau, ein Zufluss der Elbe, auf dem ein Teil des Lüneburger Salzhandels abgewickelt wurde.

Die von der Außenwelt abgeschiedenen Leproserien waren meist ähnlich einer klösterlichen Gemeinschaft organisiert. Die für den Nikolaihof erhaltene, vom Verdener Bischof verfasste Hausordnung von 1344, beurkundet die strengen Regeln für das zurückgezogene Zusammenleben der Schwestern und Brüder. Es gab regelmäßige Gebets- und Messezeiten, zu denen alle Insassen zu erscheinen hatten, ihnen war strengstens untersagt das Hospital ohne Erlaubnis zu verlassen, während der gemeinsamen Mahlzeiten herrschte Schweigepflicht und beim Eintritt in die Gemeinschaft war ein Keuschheitsgelübde abzulegen. Verstöße wurden hart, häufig gleich mit dem Ausschluss aus dem Hospital geahndet.

Der Nikolaihof war zwar nominell der Rechtsprechung des Bischofs von Verden unterstellt, wurde aber tatsächlich von der Stadt Lüneburg geführt. Nachweislich spätestens ab 1293 erfolgte die Vermögungsverwaltung durch den Rat der Stadt, der auch über die Besetzung des hospitaleigenen Pfarramtes bestimmte. Die Stelle des Provisors, also des von der Stadt Lüneburg eingesetzten Verwalters des Hospitals, wurde meist mit hochrangigen Ratsmitgliedern, später sogar mit einem der Lüneburger Bürgermeister selbst besetzt.

Der Nikolaihof war auch ein gut funktionierender landwirtschaftlicher Betrieb. Nicht zuletzt durch die günstigen ökonomischen Verhältnisse der Stadt Lüneburg bedingt, war er auch finanziell eine liquide Institution, die über großen Grundbesitz und beträchtliche Anteile an der Lüneburger Saline verfügte. Der angegliederte Wirtschaftshof war verpachtet und mit Abgaben belegt.

Mit dem Rückgang der Lepra als gesellschaftsbedrohende Krankheit verloren die Leproserien ab dem 16. Jh. allmählich ihre eigentliche Funktion. Im Nikolaispital wurden bereits ab 1470 auch gesunde Bürger als Pfründer aufgenommen. Allmählich wandelte sich der Nikolaihof zu einem Alters- bzw. Verarmtenheim, und existiert bis heute als eine sozial agierende Stiftung.

Den Mittelpunkt der Nikolaianlage bildet die backsteinerne Kapelle, die in ihrer heutigen Erscheinung aus der Mitte des 15. Jahrhundert stammt. Es handelt sich um eine vierjochige Saalkirche mit einem polygonalen Chor und einem vorgelagerten quadratischen Westturm, in dem sich der schlichte Haupteingang befindet. An der Südseite befindet sich ein zweigeschossiger Sakristeianbau unter einem Schleppdach, im Norden ein eingeschossiger Anbau mit einem eigenen Satteldach.

Laut Lüneburger Rechnungsbüchern ließ 1435 der damalige Provisor Heinrich Lange, ein späterer Lüneburger Bürgermeister, die Kirche umfangreich erneuern. Diverse Ausstattungsgegenstände wurden überholt oder neu angeschafft.Der Westturm wurde allerdings schon im 1. Viertel des 15. Jahrhunderts vorgesetzt.

Am Bau selbst finden sich einige Hinweise, die auf den Umfang der Umbauarbeiten schließen lassen und eine Rekonstruktion des Vorgängers erlauben. Es ist davon auszugehen das dieser Bau eine einfache Saalkirche war, seine Dimensionen entsprachen in Breite und Länge denen der heutigen Kapelle. Allein die Gestalt des Chores bleibt vorerst offen. Zu diesem Vorgänger gehörte das heute innere Portal, das von der Turmhalle in den Kirchensaal führt. Es ist aufwändig, mit aus Formsteinen bestehenden, tiefen Gewänden gestaltet. Während der Umbaumaßnahmen wurden sehr wahrscheinlich die Außenmauern der Kapelle erhöht und die großen Fenster eingebrochen, auch wurde der Chor verändert. Hierbei wurde der Dachstuhl heruntergenommen und anschließend fast ohne Veränderungen wieder aufgerichtet. Diese Vorgehensweise beweisen die dendrochronologischen Befunde.

Bei einer weiteren Baumaßnahme ließ 1445 der bereits erwähnte Provisor Lange der Kapelle eine Sakristei mit einer darüber liegenden Orgelempore hinzufügen, für die eine ausrangierte Orgel aus der Lüneburger Johanniskirche gekauft wurde. Wann der Anbau auf der Nordseite der Kapelle hinzu kam, ist bis jetzt ungewiss.

Die heutige Orgel befindet sich auf der hölzernen Westempore. 2014 entstand eine neue Orgel mit acht Registern plus Pedal unter Wiederverwendung von Pfeifen des 16. Jahrhunderts. Die Pfeifen werden über sogenannte Keilbälge mit Luft versorgt. Den Prospekt gestaltete der Lüneburger Künstler Andrej Becker.

Unmittelbar östlich der Kapelle wurde 1720/21 das Frauenhaus erbaut, ein eingeschossiger, massiver Backsteinbau mit Walmdach. Ein erhöhter, repräsentativer Eingang mit Lüneburger Stadtwappen darüber, befindet sich in der Mitte der 15-achsigen Westfront. Im Inneren charakterisiert ein breiter Flur mit Wohn- und Gemeinschaftsräumen rechts und links den Bau. Sowohl die im Kellergewölbe sichtbaren Mauerreste als auch Anmerkungen in den Akten belegen, dass dieses barocke Gebäude anstelle eines Vorgängerbaues errichtet wurde.

Südlich des Frauenhauses befinden sich die beiden Männerhäuser. Das kleinere von ihnen ist das so genannte neue Männerhaus, ein Fachwerkbau aus dem 17. Jh. Die innere Struktur gleicht der des Frauenhauses mit Räumen beiderseits eines Flures. Im Gegensatz zum Frauenhaus scheint es sich hier aber nur um Wohnräume zu handeln, so dass man davon ausgehen kann, dass die Bewohner die Gemeinschaftsräume des benachbarten alten Männerhaus mitnutzten.

Das unmittelbar anschließende alte Männerhaus ist ein massiver Backsteinbau des frühen 14. Jahrhunderts, der durch sein sehr großes, tief heruntergezogenes Satteldach charakterisiert wird. Die Nordfassade mit dem hohen Giebel ist die Eingangsseite, in der zwei Erschließungsphasen ablesbar sind. Die viereckigen Fenster an den beiden Längsseiten des Gebäudes sind das Resultat einer bis jetzt noch undatierten Umbaumaßnahme, bei der Außenmauerschalen vorgesetzt wurden. Im Inneren des Hauses sind noch die gotischen spitzbogigen Fensterformen erhalten.

Im Inneren wird das alte Männerhaus nach zwei Dritteln der Länge von einer massiven Mauer geteilt. Im nördlichen Bereich ist ein breiter Mittelgang mit Räumen rechts und links zu finden. Auf der Ostseite befinden sich zwei Durchgänge, einer führt zum rückwärtigen Hof, der andere zu einem Küchenanbau. Das südliche Drittel besteht aus einem großen Raum, der erst in jüngster Zeit unterteilt und zuvor als Gemeinschaftsraum genutzt wurde, sowie einer separat erschlossenen Wohnung mit eigener Kochstelle. Der ein wenig tiefer gelegene Küchenanbau ist ein Fachwerkbau mit einer großen Herdstelle in der Mitte. Er wurde nach dendrochronologischen Befunden 1784, wahrscheinlich an Stelle eines Vorgängerbaus errichtet.

Auf dem weitläufigen Areal befinden sich weiterhin das Provisorat, ein Fachwerkbau des 17. Jahrhunderts, und das Organistenhaus mit quergelagertem Backsteinbau des 16. Jahrhunderts und einem Baukörper aus Fachwerk von 1672.

Die Geschlossenheit der Anlage, der historische Baubestand, die Vegetation und die Lage am Fluss geben heute noch das Bild einer mittelalterlichen Hospitalanlage wieder.

Adresse

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St. Nikolaihof 19A, 21357 Bardowick, Deutschland

GPS:

53.292105349649, 10.396290174274

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